EuGH: Kein Anspruch auf Zugang zu in Gerichtsakten enthaltenen Umweltinformationen

EuGH, Urt. v. 15.04.2021 – C 470/19 (NVwZ 2021, 1443)

Kein Anspruch auf Zugang zu in Gerichtsakten enthaltenen Umweltinformationen

Art 2 Nr. 2 der RL 2003/4/EG ist dahin auszulegen, dass er nicht den Zugang zu in Gerichtsakten enthaltenen Umweltinformationen regelt, da Gerichte sowie Gremien oder Einrichtungen, die unter ihrer Kontrolle und somit in enger Verbindung zu ihnen stehen, keine „Behörden“ im Sinne dieser Bestimmung sind und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

 

Das Vorabentscheidungsverfahren ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Friends of the Irish Environment Ltd. und dem Commissioner for Environmental Information (Beauftragter für Umweltinformationen, Irland) über den Zugang zu Akten eines abgeschlossenen Gerichtsverfahrens.

 

Nach der Definition in Art. 2 Nr. 2 S. 1 Buchst. a und b der RL 2003/4/EG gelten als „Behörden“, die als solche der Öffentlichkeit Zugang zu den bei ihnen vorhandenen Umweltinformationen gewähren müssen, Gremien und Einrichtungen, die zur „Regierung oder eine[r] andere[n] Stelle der öffentlichen Verwaltung, einschließlich öffentlicher beratender Gremien, auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene“ gehören, sowie natürliche oder juristische Personen, die aufgrund innerstaatlichen Rechts „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt“, wahrnehmen. Nach Art. 2 Nr. 2 S. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sind „Behörden“ auch natürliche oder juristische Personen, „die unter der Kontrolle einer unter Buchst. a genannten Stelle oder einer unter Buchst. b genannten Person im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen“.

Art. 2 Nr. 2 S. 2 der RL 2003/4/EG eröffnet den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Gremien oder Einrichtungen, die der Definition des Begriffs „Behörde“ in Art. 2 Nr. 2 S. 1 dieser Richtlinie entsprechen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen, soweit sie „in gerichtlicher … Eigenschaft“ handeln.

Art. 2 Nr. 2 S. 3 der RL 2003/4/EG ermöglicht, dass die Mitgliedstaaten diese Gremien oder Einrichtungen von der Bestimmung des Begriffs „Behörden“ in Art. 2 Nr. 2 S. 1 ausnehmen können, wenn ihre verfassungsmäßigen Bestimmungen zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie kein Überprüfungsverfahren iSv Art. 6 dieser Richtlinie vorsahen.

Aus Art. 2 Nr. 2 der RL 2003/4/EG in seiner Gesamtheit ergibt sich, dass dieser nur Gremien oder Einrichtungen betreffen kann, die der institutionellen Definition des Begriffs „Behörde“ in Art. 2 Nr. 2 S. 1 der Richtlinie entsprechen, und der Begriff „Behörde“ im Art. 2 Nr.2 S. 2 funktionell auszulegen ist.

Sowohl aus dem Übereinkommen von Aarhus selbst als auch aus der RL 2003/4/EG, mit der dieses Überkommen in das Unionsrecht umgesetzt werden soll, geht aber hervor, dass deren Verfasser mit „Behörden“ keine Justizbehörden, insbesondere Gerichte, sondern, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, Verwaltungsbehörden meinten, da es innerhalb der Staaten die Verwaltungsbehörden sind, bei denen in Folge der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben die Umweltinformationen normalerweise vorhanden sind.

Gerichte sind nicht Teil der Regierung oder einer anderen Stelle der öffentlichen Verwaltung iSv Art. 2 Nr. 2 S. 1 Buchst. a der RL 2003/4/EG. Sie können auch nicht mit solchen Einrichtungen und Gremien gleichgestellt werden, die aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt gemäß Art. 2 Nr. 2 S. 1 Buchst. b wahrnehmen oder unter der Kontrolle einer in Stellen, die unter der Kontrolle einer der in Art. 2 Nr. 2 S. 1 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Einrichtungen stehen.

Wie sich aus dem ersten Erwägungsgrund und aus Art. 1 dieser Richtlinie ergibt, soll diese einen erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen fördern, um bessere Entscheidungen zu treffen und wirksamer anzuwenden und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern. Dieses Ziel lässt sich aber nicht auf in umweltbezogenen Gerichtsverfahren zu den Akten genommenen Schriftsätzen und anderen Schriftstücken übertragen, da der Unionsgesetzgeber nicht beabsichtigt hat, die Information der Öffentlichkeit im Bereich der Justiz und ihre Beteiligung an der Entscheidungsfindung in diesem Bereich zu fördern.

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