BVerwG: NABEG – Recht des Ausbaues von Energieleitungen

BVerwG, Beschl. V. 29.7.2021 – 4 VR 8/20 (NVwZ 2021, 1536 m. Anm. v. Dr. Kümper)

NABEG – Recht des Ausbaues von Energieleitungen – Ob überwiegende Belange der Betroffenen der Veränderungssperre nach § 16 I 1 NABEG entgegenstehen, ist bereits bei deren Erlass zu prüfen.

 

Antragstellerin, eine Gemeinde, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine zur Sicherung der Planfeststellung einer Höchstspannungsleitung erlassenen Veränderungssperre.

Der Trassenkorridor quert das Gemeindegebiet der Antragstellerin in einem Bereich, wo sie zwecks Trinkwasserversorgung die Errichtung von weiteren Brunnenanlagen und die Ausweisung eines neuen Wasserschutzgebiets beabsichtigt. Entsprechende Anträge stellte die Antragstellerin erst nach der öffentlichen Auslegung der Unterlagen im Verfahren der Bundesfachplanung.

 

Der Antrag wurde als unbegründet abgewiesen.

Nach § 16 I 1 NABEG kann die BNetzA mit Abschluss der Bundesfachplanung oder nachträglich für einzelne Abschnitte der Trassenkorridore Veränderungssperren erlassen, soweit für die Leitungen ein vordringlicher Bedarf i.S.d. Bundesbedarfs festgestellt wird und andernfalls die Möglichkeit besteht, dass die Trassierung der darin zu verwirklichenden Leitungen erheblich erschwert wird.

Hier hat die BNetzA nach Erlass der Bundesfachplanungsentscheidung für bestimmte Abschnitte des Trassenkorridors eine Veränderungssperre erlassen. Eine gesonderte Feststellung eines vordringlichen Bedarfs ist entbehrlich, da das Tatbestandsmerkmal eine rein klarstellende Funktion hat.

Bei Umsetzung der Planungen der Antragstellerin durch Errichtung der Brunnen samt Ausweisung eines Wasserschutzgebiets besteht die Möglichkeit, dass die Trassierung im festgelegten Trassenkorridor erheblich erschwert wird.

Zu den Erschwernissen gehören tatsächliche Hindernisse in Form von baulichen Anlagen und sonstigen Vorhaben, für die nach § 16 I 2 Nr.1 NABEG ein Bauverbot gilt. Nach § 16 I 2 Nr. 2 NABEG, der einen Auffangtatbestand bildet und im Hinblick auf den Schutzzweck einer Veränderungssperre auszulegen ist, dürfen auch keine sonstigen erheblichen Veränderungen am Grundstück durchgeführt werden. Dieses Verbot erfasst somit auch rechtliche Veränderungen jedenfalls insoweit, als sie die Nutzbarkeit eines Grundstücks mit nachteiligen Folgen für das geplante Vorhaben einschränken. Dies ist hier durch die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes gegeben. Ob dies auch für rechtliche Änderungen, die lediglich die Zuordnung des Grundstücks zu einem Rechtssubjekt betreffen, wie die Begründung dinglicher Rechte und die Einräumung schuldrechtlicher Nutzungsansprüche gilt, hat das Gericht offengelassen.

Auch die Brunnenanlage könnte wegen des Bauverbots nicht errichtet werden, wodurch das auf § 51 I 1 Nr. 1 WHG gestützte Wasserschutzgebiet seinen Zweck verfehlen würde und für das Wohl der Allgemeinheit nicht erforderlich wäre (vgl. Rechtswidrigkeit eines B-Plans, der mangels Erforderlichkeit nicht verwirklicht werden kann auf Grund einer Veränderungssperre).

Es genügt bereits die Möglichkeit der Erschwernis. Dabei ist ausreichend, dass solche Maßnahmen nicht ausgeschlossen bzw. fernliegend sind. Dieser weite Maßstab, da im Interesse der schnellen Verwirklichung des energiewirtschaftlich vordringlichen Vorhabens gesichert und so verhindert werden soll, dass der zur Verfügung stehende Raum durch andere Vorhaben verengt wird. Dazu gehört auch, dass Planungsalternativen vor einer Prüfung und Bewertung im Planfeststellungsverfahren verbaut werden.

Auch muss das Ermessen fehlerfrei ausgeübt werden, wozu die Berücksichtigung überwiegender Belange der von der Veränderungssperre Betroffenen gehört. Solche Belange sind bereits bei der Entscheidung über den Erlass der Veränderungssperre zu berücksichtigen. Die Verschiebung dieser Prüfung in den Aufhebungsantrag nach § 16 II 2 NABEG wird dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht. Dieser Antrag ist nach Eintritt der Bestandskraft der Veränderungssperre statthaft.

 

Das Interesse der Antragstellerin an der Trinkwasserversorgung ist zwar ein beachtlicher öffentlicher Belang. Jedoch hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen, dass dieser das befristete Interesse an der Sicherung der Planfeststellung für ein Vorhaben von herausragender Bedeutung für die überregionale Stromversorgung und das Gelingen der Energiewende überwiegt.

Zwar hat die Antragstellerin bereits im Verfahren der Bundesfachplanung vorgebracht, dass die Brunnenanlage der Schaffung einer Versorgungsreserve diene und die Trinkwasserversorgung mittel- und langfristig sicherstellen solle. Von einer Versorgungslücke, die dringend zu schließen ist, kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Antragstellerin hat ihre Planung zudem erst nach Konkretisierung des Trassenkorridors vorangetrieben und dabei insbesondere Überlegungen zur Trinkwasserversorgung andernorts nicht weiterverfolgt, die mit den Leitungstrassen nicht im Konflikt stehen.

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